Vor 3 1/2 Jahren erst zogen wir ins Roitbinder ein, als der Vater von Ingrid überraschend das Gegenhuberhaus überschrieben bekam. Frau Gegenhuber (s’Annerl) zog ins Altersheim und hatte keine näheren, lebenden Verwandten mehr. Nachdem wir die einzigen in der Familie waren, die noch keine eigene Bleibe hatten, überschrieb Vater uns das ebenfalls restaurierungsbedürftige Haus in der Scharnsteinerstraße 24.
Genauso begeistert wie beim Roitbinder, begannen wir mit dem Umbau des Gegenhuber’s. Es war ja nun unser eigenes Haus, somit ging für uns ein Traum in Erfüllung! Die noch offenen 11 Jahre Wohnrecht beim Roitbinder ließen wir gerne verfallen. Warum es mir wichtig ist das zu erwähnen? Weil es für mich ein sehr emotionales Beispiel dafür ist, wie die Welt ein Stückchen friedlicher sein könnte: Willi, der Eigentümer des Roitbinder erzählte uns viel später, welchen Anfeindungen er in seiner Verwandtschaft ausgesetzt war, als er nach seiner Erbschaft das Wohnrecht für 15 Jahre vergab. Er ließ uns das aber nie spüren. Für ihn zählte nicht der Profit, sondern es war ihm viel wichtiger, einer jungen Familie eine Chance zu geben, sich etwas zu schaffen. Nachdem wir schon nach 4 Jahren auszogen, hielten dann manche uns für die Dummen.
Wir konnten Willi nun ein Stück seiner Großherzigkeit zurück geben und wir sind uns heute noch sehr zugetan, wenn wir uns irgendwo begegnen. Wir sind dankbar, dass er uns damals die Sicherheit der 15 Jahre gewährte, weil wir uns dieses Projekt sonst nicht zugetraut hätten. Ebenso wie er dankbar war, dass wir wegen der verbleibenden 11 Jahre Wohnrecht keine Forderungen stellten. Wozu auch, das Roitbinder kostete uns keinen Schilling, wir lernten dabei sehr viel und der Mietaufwand von vier Jahren hätte den geleisteten Arbeitsstunden sogar entsprochen. Außerdem hatten Ingrid und ich bei der Restaurierung des Hauses ein gemeinsames Ziel, was sehr verbindend war. Somit gab es nur Gewinner! Die Großherzigkeit von Willi berührt mich heute noch, wenn ich daran denke.
Das Gegenhuber sah auf den ersten Blick viel besser aus, als das Roitbinder. Vor allem war es größer und heller. Dennoch musste so gut wie alles neu gemacht werden: Bad, Fenster, Türen, Heizung, Elektroinstallation, Dachstuhl mit Innenausbau, Kanalanschluss, Garage, Vorbau und die Asphaltierung der Zufahrt. Um das alles finanzieren zu können, verkauften wir unseren Baugrund am Lembergweg, sowie später jenen Teil des Gegenhubergrundes, auf dem heute das neue Obereigner-Haus steht. Trotzdem ging’s bei weitem nicht in jener Geschwindigkeit weiter, wie bei der Roitbinderbaustelle. Nicht nur, weil alles viel größer war, sondern weil wir beim Start dieses Projekts bereits zwei kleine Kinder hatten.
Wenn wir Hilfe brauchten, mussten wir jetzt auch öfter fragen, das heißt, die Brüder von Ingrid und ihr Vater haben uns zwar sehr unterstützt, sind aber nicht mehr so häufig von selber auf unserer Baustelle aufgetaucht. Ingrid war meistens mit den Kindern auf der Baustelle, stellte zu Mittag für alle ein warmes Essen auf den Tisch, wurde nicht selten um fehlendes Baumaterial zum Baustoffhändler geschickt und war trotzdem oft als fixe Arbeitskraft eingeplant, weil vieles alleine ja schwer ging. Sie bediente die Mischmaschine, half mir beim Einziehen der Elektroinstallation, beim Montieren der Gipskartonplatten, war zur Stelle für unzählige kleine Handgriffe und reinigte am Abend meistens noch die Baustelle. Sie stand den Männern als Helferin auf unseren Baustellen um nichts nach. Wie Ingrid das mit unseren Jungs alles unter einen Hut brachte, ist mir heute ein Rätsel. An den Sonntagen war trotzdem Pause und wir machten meistens einen Ausflug mit unseren Kindern.