Einige Tage vor Weihnachten 1990 stand Willi Laimbauer am Jungersberg überraschend vor der Tür. Er hörte von Bekannten, dass wir eine Wohnung suchen. Willi erzählte uns, dass er vor kurzem das Roitbinder geerbt hat und nicht recht weiß, was er damit machen soll. „Im momentanen Zustand ist es ja nicht bewohnbar, aber vielleicht wollt ihr es euch herrichten“, meinte er.
Ingrid und ich waren sofort Feuer und Flamme für diese Idee. „Ein Haus am Flachberg, nicht weit weg vom Jungesberg, wie geil ist das denn?“
Die Besichtigung wäre für jeden normalen Menschen ernüchternd gewesen. Das Haus war relativ klein, der Schiffboden auf dem direkt darunter liegenden Lehm war durchgetreten und angefault. Es gab kein Bad und nur eine Kaltwasserleitung direkt in die Küche, die von einer oberflächlichen Quelle kam.
Das einzige Zimmer, welches sich als Kinderzimmer anbot, war feucht und schimmelig. Die alten Kastenfenster waren alles andere als dicht, es gab keine Zentralheizung und der Putz fiel teilweise von der Wand. Der Staub rieselte vom Heuboden durch die Holzdecke ins Schlafzimmer hinunter. Das Plumpsklo stand im Freien, das heißt, es gab aus dem Haus weder einen Abfluss, noch eine Senkgrube, die man anschließen konnte. Außerdem war das Haus bis oben hin voll mit Gerümpel.
Die Idee von Willi war, dass Ingrid und ich das Haus renovieren, er das Material bezahlt und wir dafür einige Jahre darin mietfrei wohnen dürfen.
Nachdem uns alle, die wir um Rat fragten, davon abrieten, handelten wir bei Willi volle 15 Jahre Wohnrecht heraus, ohne Miete zu zahlen. Wir
wollten das unbedingt machen! Das Haus gehörte zwar nicht uns, es fühlte sich aber im Gegensatz zu den besichtigten Mietwohnungen fast so
an. Wir setzten einen Vertrag auf, den Willi mit seiner Frau ohne irgend einen weiteren Änderungswunsch unterschrieb.
Wir waren so voller Euphorie, dass wir bereits am 13. Jänner begannen, bei eisiger Kälte das Haus auszuräumen. Bereits Anfang Februar betonierten wir den Unterboden im Bad und in der Stube. Bei den kalten Temperaturen war es nötig, den Schotter mit dem Krampen zu lösen und das Wasser mit dem alten Küchenofen zu wärmen, weil sonst die Mischmaschine angefroren wäre. Das Zusammenhelfen war eine große Stärke der Jungersfamilie. Oft fuhren Ingrid und ich in der Früh auf die Baustelle, in der Meinung, an diesem Tag nur zu zweit zu sein. Nur wenig später standen alle ihre Brüder ungefragt auf der Matte und packten mit an. Wenn ich irgendwo nicht weiter wusste, holte ich mir vor allem bei Ingrid’s Bruder Adi kompetenten Rat (das ist heute noch so).
Nach gut vier Monaten konnten wir Ende Mai schon provisorisch einziehen – einfach großartig! Um unseren Einzug gebührend zu feiern, fuhren wir spontan und ohne Buchung mit unserem blauen Mazda 323 nach Rom. Ein Zimmer war uns zu teuer, also übernachteten wir im Auto, unmittelbar neben dem Petersdom. Nächsten Tag besuchten wir mit dem Taxi alle größeren Sehenswürdigkeiten und so schnell wir kamen, fuhren wir auch wieder nach Hause. Na ja, das Urlaub machen mussten wir wohl erst lernen.
Unser ältester Sohn Daniel kam ein Jahr später zur Welt und wuchs die ersten Jahre im Roitbinder-Haus auf. Willi wurde zu seinem großen Freund, weil er ab und zu auf seinem 15er Steyrer-Traktor sitzen durfte.
„Begeisterung gibt unser menschlichen Seele die Kraft,Unmögliches zu schaffen.“