Am Jungesberg war ich gern gesehener Gast. So verbrachten wir die Wochenenden fast ausschließlich in Gmunden. Mit Ingrids Mama verstand
ich mich ohnehin sofort. Mit ihr konnte man sich nur gut verstehen. Sie war eine total herzliche und ebenfalls sehr gläubige Frau, die immer um das Wohlergehen der anderen bemüht war und sich selber bescheiden zurück stellte – genau wie Ingrid. Sie gab mir von Anfang an das Gefühl, ein willkommener Schwiegersohn zu sein.
Dem Papa von Ingrid konnte ich das nicht so direkt anmerken, aber es gab nie irgend eine Art von Unstimmigkeit. Er war eher so der Typ „ihr müsst selber wissen, was ihr tut“. Ich denke, ich war ihm auch von Anfang an ein von Herzen willkommener Schwiegersohn. Die Generationenkonflikte am Jungesberg berührten uns nur ganz am Rande und moralisiert wurde im Elternhaus von Ingrid überhaupt nicht. Mir schien damals, ihre Eltern hatten grenzenloses Vertrauen zu Ingrid, was mich sehr faszinierte. Genauso gut könnte es natürlich gewesen sein, dass über manche Themen einfach aus Hilflosigkeit nicht geredet wurde.
Verlobt haben wir uns am 1. Mai 1990 bei Sonnenaufgang am höchsten Punkt des Flachbergs. Das war nach außen hin ziemlich unspektakulär,
aber für uns das Größte! Es gab da weder einen Antrag, noch einen Ring. In dem Bewusstsein, dass unserer Liebe nichts gefährlich werden konnte, gab ein Wort das andere, bis wir aus unendlicher Begeisterung füreinander beschlossen, zu heiraten. Wir waren sooo glücklich. Ich hätte Luftsprünge machen können, vor lauter Freude!
Dass wir noch gar nicht so lange ein richtiges Liebespaar waren, störte uns nicht. Wir waren uns einfach beide absolut sicher (und behielten bis heute Recht)! Nach 35 Jahren Ehe sage ich mit unbeschreiblich großer Freude, „es war mit Abstand die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben“.
Wir konnten unser Glück kaum fassen und teilten unsere Verlobung gleich Ingrid’s Eltern mit. Wir wollten im September 1990 heiraten. Mama strahlte mit ihrem schönsten Lächeln und schlug freudig die Hände zusammen. „Ja schön, dann braucht ihr nicht noch einen Winter hin und her fahren“, meinte sie ganz praktisch und liebevoll. Es war, als hätte sie schon auf diese längst überfällige Mitteilung gewartet. Papa holten wir aus dem Bett, weil wir gleich anschließend noch nach Taufkirchen fahren wollten. Er war noch ziemlich verschlafen und irgendwie waren wir uns im ersten Moment gar nicht sicher, ob er unsere Botschaft wirklich verstand. Er sagte „mir ist es Recht“ und verschwand ziemlich schnell wieder im Schlafzimmer. Für seine nüchterne Reaktion entschuldigte er sich später sogar. Er war wohl wirklich noch etwas verschlafen.
In Taufkirchen angekommen, trafen wir als erstes im Esszimmer meine Mama an. Als wir ihr offenbarten, dass wir heiraten wollen, brach sie in
Tränen aus, weil sie gerade auch ein paar andere Dinge zu verarbeiten hatte und mit ihren Nerven völlig am Ende war. Der Freund von Gerlinde verunglückte vor Kurzem, bei Fredi bestand Verdacht auf Tuberkulose,… Dennoch rechneten wir mit vielem, aber damit nun wirklich nicht.
Etwas nervös gingen wir zu Papa in den Hof hinaus und überbrachten ihm die selbe Nachricht. Er lächelte uns an und stellte gleich allerhand
praktische Fragen zu unserem geplanten Fest. Für ihn war unsere Heirat offensichtlich OK. Aufgrund der bisherigen Reaktionen waren unsere
Erwartungen ja nicht mehr allzu hoch, aber mich konnte zu diesem Zeitpunkt ohnehin nichts mehr verunsichern.
Jetzt war endlich Klarheit geschaffen. Das hatte auch zur Folge, dass sich das Verhältnis zu meiner Mama deutlich verbesserte. Den letzten größeren, nein, kleineren Disput seit nunmehr 35 Jahren gab es bei unseren Hochzeitseinladungen. Mama war der Meinung, dass wir ihre gesamte, riesige Verwandtschaft, den Kirchenchor, die Arbeitskollegen von Papa, etc. einladen mussten. Ich wollte das nicht, habe aber irgendwann um des Friedens willen nachgegeben. Schließlich ließen wir 400 Einladungen drucken und haben dann nochmals 50 nachgedruckt, weil Mama immer wieder jemand einfiel, der unbedingt eingeladen werden musste.